Tag 4. Finca Suiza


5:40 Uhr aufstehen, Zähne putzen, leichtes Handgepäck, dicken Pullover und Mütze an und um 6:00 Uhr los. Heutiges Ziel: die Kooperative Suiza.

Warum, wieso und weshalb, da muss ich kurz ausholen...Vor 2 Jahren hatten wir außer dem Sample von APPAECE noch 4 weitere Samples von Kooperativen aus Guatemala über Gerrit (der hatte sie wiederum über Rigo) erhalten außer APPAECE hattet auch der Kaffee der Finca Suiza top Qualität.

Wir hatten uns für APPAECE entschieden, da dass Tassenprofil besser passte, aber der Kaffee von Suiza war großartig.

Als wir wenige Monate später hörten, dass die Anlagen bei Suiza bei einem Erdbeben (37 Sekunden, Stärke - weiss ich nicht mehr) schwer beschädigt worden, haben wir 500 US$ Spende zugesagt.

Aufgrund von Banken-Problemen konnten wir das Geld jedoch nicht überweisen. Das wollten wir dieses Jahr wieder gut machen und das Geld persönlich vorbeibringen.

Gemeinsam mit Gerrit, Rigo und Jacobo (Freund von Rigo) ging es los: Für jeden Gringo ein "Aufpasser" Hört sich vielleicht etwas übertrieben an, kann aber nützlich sein.

Also wie gesagt, um 6:00 Uhr ging es los, im Dunklen und fröstelnd sind wir die Straße einige hundert Meter entlang gegangen. Dann kam unser Bus. Einmal Winken und der alte Reisebus hielt an. Statt 4 Leuten in einer Reihe passen in einen alten Linienbus in Guatemala locker 6-7 Leute nebeneinander. Will jemand aussteigen, müssen eben 2 aufstehen und der Aussteigende muss sich durchquetschen. Funktioniert hervorragend! Erster Umsteigeort war Colomba. Der Markt auf dem grossen Platz des Städtchens war noch geschlossen, über den Tischen Planen und keine Leute. Umso mehr Leute tummelten sich aber auf dem Gehweg, wartend vor einigen Toyota Kleinbussen. Da Gerrit 2,00 m gross ist, ließ Rigo die erste Mitfahrgelegenheit aus, Rigo hoffte für Gerrit auf einen freien Platz vorne.

Im nächsten Auto bot sich diese Gelegenheit, ich setzte mich neben dem Fahrer, Gerrit neben mich. Allerdings sind vorne 3 Fahrgäste eingeplant und das funktionierte nicht, also Gerrit wieder raus und doch hinten reingequetscht und Rigo und ein Schulmädchen vorne neben mir.

Hat eher etwas mit Tetris zu tun, als mit Verkehrssicherheit. Insgesamt waren 41 Mitfahrer verstaut (Toyota Hyace, Langversion!!!), einige standen auf dem Trittbrett, der Rest war eingebettet zwischen Anderen. In Colomba stiegen wir dann um, in den nächsten Kleinbus, ab nach Coatepec. In Coatepec versuchten wir die moderne Technik zu überreden Plastikgeld, gegen Bares zu tauschen, aber Fehlanzeige, 3 Automaten und kein Geld.

Da wir aber noch einiges an Quetzals hatten, konnten wir Rigo und Jacobo zu einem reichlichen Frühstück (Ich: Milchreissuppe, Orangensaft, Chips mit Hühnerfleisch, Spiegelei und Käse) einladen.

Nach diesem sehr üppigen Frühstück ging es von Coatepegue aus weiter via Kleinbus nach Pajapita. Hier erwarteten uns German und Henecon von der Suiza (Präsident und Vizepräsident) und ein weiteres Kooperativenmitglied. Nach einigem Hin und Her durfte ich auf der Laderampe des Pickups mitfahren. Gerrit, Präsident und Fahrer in der Kabine. Rigo, Jacobo und German bei mir hinten und eine alte Frau. Es ist Alltag, dass wenn jemand von A nach B fährt und Platz hat weitere Leute mitnimmt und dafür einen kleinen Zuschuss zum Benzin / Diesel bekommt. Nach ca. 15 min. hatten die Männer sich daran gewöhnt, dass die Deutsche hinten mitfährt.

Um kurz nach 11:00 waren wir endlich bei Suiza angekommen. Uns erwarteten über 60 Leute, viele davon Frauen mit Kindern. Als wir ankamen wurde von den Jugendlichen die Handys gezückt und Fotos gemacht. Die Kooperative ist wirklich weit weg von allem, ca. 1 h entfernt von Pajapita, steile und staubige Sand/Steinwege hinauf.

Die Kooperative besteht aus 170 Mitgliedern. Zwei Erdbeben und die Roya haben jedoch dafür gesorgt, dass die Suiza dieses Jahr keine Ernte hat. Die wenigen Kilo, die geerntet werden konnten, sind sehr schlecht und sind für den regionalen Markt bestimmt.

Aktiv sind im Moment nur noch 80 Mitglieder, die übrigen sind weggegangen und sind auf Arbeitssuche in Guatemala Stadt, Mexiko oder in kleineren Städten. Die Frauen und Kinder versuchen sich derweil mit etwas Gemüse und Obstanbau über Wasser zu halten.

Wir wurden herzlich begrüsst, doch die Stimmung war angespannt. Auf Plastikstühlen in zig Reihen, saßen die Mitglieder hinter- und nebeneinander. Vorne stand ein Schreibtisch und ein extrem hoher Holzstuhl. Gerrit setzte sich darauf und sah natürlich noch grösser aus und alle lachten, dann Rigo. Rigo konnte im Gegensatz zu Gerrit natürlich nicht mehr mit den Füssen den Boden berühren, dafür fehlten ca. 40 cm, wieder lachten alle.

Dann wurden wir kurz vorgestellt und ich ging noch näher auf unsere Arbeit bei Quijote ein und erzählte ihnen wie toll wir ihren Kaffee fanden. Nachdem Herecon und Gernan gerade einen Tag zuvor bei Santa Anita bei dem grossen Treffen waren, versuchte ich auf die Kooperationsmöglichkeiten (Roya) hinzuweisen und sie zu ermutigen nicht aufzugeben. Es wurden viele Fragen gestellt, auf einige konnten wir antworten auf andere nicht. Die Lage bei Suiza ist wirklich sehr verzwickt, nur eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten, Handy "ja", Internet "nein", extreme Verluste an Pflanzen, der große Patio (zum Kaffee trocknen) hat viele Risse, Maschinen sind defekt und einige Teile der Gebäude sind stark beschädigt, so dass man an Arbeiten nicht denken kann. Die vom Kaffeeverband geschenkten 24.000 Setzlinge Catimor werden erst in 3 Jahren tragen, wenn überhaupt - leider sehen einige der Pflanzen jetzt schon nicht sehr gut aus. Der Präsident bekam vor versammelter Mannschaft und Gästen auch noch sein Fett weg und letztendlich blieb nur die Erkenntnis: Sie brauchen sehr, sehr viel Hilfe und Glück um das gemeinsam zu überstehen. Leider gibt es für so eine Lage kein Allheilmittel, das besterhaltene Gebäude ist eine ziemlich große katholische Kirche (gesponsert von europäischen Christen nach dem Erdbeben), doch bisher blieben ihre Gebete unerhört.

Wir blieben insgesamt 4 Stunden dort (Besprechung, Besichtigung der Nachzucht und verschiedener Parzellen).

Dann fuhren wir wieder zurück nach Santa Anita. Im Dunklen kamen wieder bei Rigo zuhause an. Wir sprachen noch einige Zeit mit Rigo über die Suiza und er erzählte uns noch einige interessante Sachen. Viele der Mitglieder waren Tagelöhner auf der ehemals privaten Kaffeeanlage / Farm. Sie haben unter extrem schlechten Bedingungen gearbeitet. Das Hauptgebäude / Verwaltung hat zwei Gefängniszellen und die wurden damals auch benutzt. Wie der Name schon sagt, war die Farm früher in Schweizer Hand. 2001 wurde das Land vom Staat zum Kauf angeboten. Die Parzellen sind ca. 1 ha gross und jedes der Mitglieder hatte immense Summen als Landschuld. Mittlerweile ist diese Schuld fast vollständig getilgt, in 36 Monaten ist sie beglichen und das Land wirklich ihres. Die ausstehenden Raten sind so gering, dass sie selbst ohne Kaffee mit Aushilfsjobs zu begleichen sind.

Ich hoffe wirklich sehr, dass sie daraus Mut ziehen können und das sie Unterstützung erhalten, sowohl finanziell, als auch Know-How. Die Handynummern von Henecon und German habe ich und vielleicht können wir ihnen etwas mit dem was wir von anderen Ländern wissen helfen.