Tag 5 Kooperative APPAECE


Heute verabschieden wir uns von Rigos Familie, denn heute fahren wir zu APPAECE, zu "unserer" Kooperative in Guatemala, von der wir seit 2 Jahren Kaffee beziehen.

Ein letzter Kaffee gemeinsam mit Rigo und seiner Frau, die Kinder schlafen noch. Um 6:00 Uhr brechen wir auf. Wie gestern wird auch dieser Tag sehr Bus-intensiv werden.

Da wir diesen Mal unser Gepäck mitnehmen, ruft Rigo einen seiner Freunde an, der mit seinem TukTuk sein Geld verdient.

Es ist wirklich erstaunlich, was alles in ein TukTuk passt. Koffer, Rucksack, eine grosse Reisetasche und noch zwei kleine Rucksäcke und 3 Leute und Rigos Freund.

Für umgerechnet 2 Euro bringt uns Rigos Freund bis nach Colomba, Fahrzeit ca. 25 Minuten. Von Colombo aus geht es nach San Juan Ostuncalco und von dort nach San Marcos. San Marcos erreichen wir um kurz nach 10:00 Uhr. Hier warten schon 5 Mitglieder von APPAECE.

Auf der Fahrt nach San Marcos hatten Rufino (Präsident von APPAECE) leider einen Unfall mit Ihrem Pickup. Ein Motorrad hatte ihnen die Vorfahrt genommen, glücklicherweise gab es nur einen Blechschaden. Der Motorradfahrer verzichte auf Polizei und Geld, überlegte es sich dann aber anders und sorgte für einen neuen Tagesplan. Während unseres gemeinsamen Frühstücks, telefonierten 3 der 5 permanent, doch letztendlich ließ es sich nicht vermeiden, dass Rufino und ein weiteres Mitglied in San Marcos blieben. Die anderen machten sich mit uns im Pickup auf den Weg nach Corral Grande. Nach der obligatorischen Diskussion, ob ich hinten auf der Ladefläche mitfahre oder nicht, ging es los. Nur ganz am Rande, auf der Ladefläche ist es bei einem möglichen Unfall natürlich gefährlicher, als in der Fahrerkabine, aber nach einer Fahrt in der Fahrerkabine in der zweiten Reihe und total verrenkten Beinen (zu wenig Platz, selbst wenn man nur 1,60m ist), ziehe ich das wirklich vor. Zumal bei einem Unfall, es ist auch in der Kabine in den alten Pickups ohne Anschnallgurte auch nicht erheblich sicherer.

Zurück zum Thema. Nach ca. 1 h erreichten wir Corral Grande und Genaros Haus. Genaro ist 55 Jahre alt und hat insgesamt 7 Kinder, 6 davon Mädchen. Als wir da waren, war auch gerade sein Sohn und die jüngste Tochter da. Alle Mitglieder von APPAECE (ausgenommen die Beiden die in San Marcos bleiben mussten) waren hier versammelt. Insgesamt hat Genaro 2 Häuser, die im Vergleich zu Rigos Haus echter Luxus sind: großzügig und mit Fenstern und Türen ausgestattet. Eigentlich sind es sogar 3 kleine Häuser / Zimmer die u-förmig um den kleinen hauseigenen Patio angeordnet sind, auf dem gerade Pergamino ausliegt zum trocknen. Nach einer herzlichen Begrüßung erzählte ich ihnen mit Gerrits Hilfe (Übersetzung) wie froh wir als Quijote sind, sie als Produzenten zu haben und wir sehr uns und den anderen Röstern ihr Kaffee gefällt. Natürlich waren sie sehr interessiert zu erfahren, was die Leute in Deutschland, Europa gerne so trinken und wie sie zu Kaffee stehen. Dann haben wir uns gemeinsam die Fotos angeschaut, die ich von unserer Rösterei, Pingo und den anderen gemacht haben. Als Gerrit ihnen sagte, der Mann in dem gestreiften Shirt ist Pingo und mein Freund grinsten sie mich breit an und schauten abwechselnd auf das Foto und mich. Unsere Guatemala Verpackung mit dem Quetzal (Punk-Vogel) stieß auf große Begeisterung, das Rückseiten-Etikett werden wir umändern, Genaro und die anderen möchten die Ortsbezeichnung präziser. So soll das sein. Sie waren sehr begeistert zu hören, dass dieses Jahr außer uns noch 7 weitere Röster am Import beteiligt sind. Die Namen der Röster und die entsprechenden Länder habe ich ihnen gleich in das Buch ihres Schriftführers geschrieben. Nachdem die dringlichsten Fragen gestellt waren und die Zeit schon recht weit voran geschritten war, schauten wir und gemeinsam Genaros Parzelle an. Bei Genaros Parzelle besonders auffällig ist, dass die Abstände zwischen den Kaffeesträuchern sehr großzügig ist. Die Anbauhöhe beträgt hier 1500 m und Bourbon und Caturra wachsen hier sehr gut. Von Roya ist kaum etwas zu sehen, was vermutlich auch zum Teil mit an den vielen Schattenbäumen liegt, Bananen, Papaya und vieles mehr wächst hier super. Als Vincente uns ein paar Bananen besorgen wollte von einer recht dünnen Bananenpflanze hatte er auf einmal die gesamte ca. 3 m hohe Stange in der Hand und wir alle bekamen einen Lachanfall der Extraklasse, das sah einfach zu komisch aus. Die Bananen waren leicht säuerlich und dicker als unsere gängigen Bananen aus dem Supermarkt, aber sehr lecker.

Bevor noch mehr Pflanzen aus dem Boden gerissen werden mußten, teilten wir die gewonnen Bananen, je in zwei Teile.

Nach dieser Vorspeise ging es dann zurück zum Haus und zum Essen.

Reis, Hühnerbrühe, Hühnerkeule und Tamales. Genaros Frau und seine Tochter hatten wirklich lecker gekocht, doch wie schon zuvor mehrmals beobachtet, essen die Frauen getrennt von den Männern. Ob das auch so ist, wenn keine Gäste da sind weiss ich nicht, aber es ist schon ein wenig eigenartig. Gestärkt ging es wieder in den Hof, ich erklärte ihnen, wie gerne ich ein Porträtfoto von jedem von ihnen machen wollte, damit auch die Kaffeetrinker letztendlich wissen, wer hier so schuftet. Meine bis dato kaum genutzte Canon (zu gross und unhandlich für diese Reise) durfte sich nun austoben. Damit sie auch ja seriös aussehen, setzte jeder von ihnen eine eiserne Miene auf. Sobald ich ihnen dann die Fotos zeigte grinsten sie wieder los. Daran müssen wir wohl die nächsten Jahr noch etwas arbeiten. Innerhalb der nächsten 24 h sollte jedoch noch ein echter Fotowahn ausbrechen und ich wurde immer wieder aufgefordert, doch bitte ein Foto von Ehepaaren, Kindern und Farmer gemeinsam mit Kaffeepflanzen machen. Sie möchten so viel wie möglich zeigen von ihrem Leben. Im Gengenzug habe ich versprochen Bilder von Schnee in Hamburg zu machen und ein paar Endkunden und Röster vor die Linse zu bringen. Diese Fotos und die hier gemachten Fotos kommen also garantiert nächstes Mal ins Gepäck.

Da es schon kurz nach halb drei war, hieß es ab auf den Pickup und Parzellen zeigen. Jeder wollte un bedingt seine Parzelle zeigen, Fotos machen und wissen, was wir davon hielten. Marcos Valdéz konnte zu meinem großen Bedauern nicht mit, er ist aufgrund einer Missbildung des Rückens und Beine sehr eingeschränkt in seiner Bewegung und die Tour sollte recht sportlich werden. Inklusive Rigo, Gerrit und mir machten sich also 9 der 12 APPAECE Farmer auf den Weg. Wie gehabt gab es ein kurzes Gerede, ob es nicht besser wäre, wenn ich vorne mitfuhr, aber auch das wurde wie gehabt geklärt. Die kurze Info vorweg, dass die Straße sehr steil und in einem sehr schlechten Zustand sei, war keine Übertreibung. 40 % Steigung, Sandpisten und zum Teil riesige Steine, die von Hängen runtergerutscht waren, machten die Fahrt die nur im 1. und 2 Gang stattfand wirklich zum Abenteuer. Irgendwann hieß es dann aussteigen und laufen, da gerade Bauarbeiten im Gange waren. In Anbetracht der Tatsache, das viele der Farmer nicht mehr ganz die Jüngsten sind, hatte ich unbegründete Sorge. Sie gehen Tag ein und aus diese Wege, aber die Kombination von echten Schotterpisten mit einem Gefälle / Steigung von 30, 40% war in meinen Augen schon recht krass.

Aber ihnen ging es im Bezug auf mich auch nicht anders, "Poco, Poco" (langsam) wurde großzügig von Ovidio, Vincente, Bonifacio und Co.benutzt, aber im Gegensatz zu der Meinung eines Rösters in Hamburg der Pingo heißt, habe ich ziemlich viel Kondition und bin recht zügig unterwegs, wenn auch nur bei entsprechend hohen Temperaturen (Wink mit dem ganzen Zaun!).

Im Laufe der folgenden Stunden bauten wir so unsere beidseitigen Vorurteile ab, ich war begeistert von Ihren Patios, Ihren Parzellen und ihrer Aktivität trotz Alter und sie amüsierten sich über meine Energie.

Mehr zu den einzelnen Parzellen werden wir in Zukunft auf der APPAECE Produzentenseite zeigen. Ich könnte nun stundenlang schreiben, aber das sprengt vermutlich jeden Reiseberichtrahmen.

Nur noch so viel, jede Parzelle die wir heute gesehen haben, sah gut aus, die Schäden bzgl. Roya halten sich in Grenzen und die APPAECE Mitglieder achten sehr auf ihre kleinen Patios, die entweder direkt das Dach des Wohnhauses sind oder auf einer Anhöhe mit angeschlossenem Lager. Sie sammeln alle die Pulpe und benutzen sie als Dünger.

Auf einem unserer Wege haben wir einen jungen Mann getroffen, der 10 Jahre in den USA gelebt hat und mit dem ich mich auf Englisch unterhalten habe. Er arbeitet für Agapito (ca. 1 xMonat, in der Erntezeit öfter), den mit 80 Jahren Ältesten von APPAECE und er hat nur gute Worte für Agapito gefunden. Ein Tagelöhner bekommt pro 1 Quintal Kirschen ca. 50 Quetzales. Für Agapito arbeiten zeitweise bis zu 12 Tagelöhner, für andere 7-8 in der Erntezeit und einige bewältigen die gesamte Arbeit nur mit Hilfe ihrer Familie. Die meisten Tagelöhner arbeiten seit Jahren für die Farmer und leben in Stein oder Holzhäusern, die ungefähr dem Haus von Rigo entsprechen.

Nach einem langen Tag sind wir im Dunkeln die steilen Straßen runtergefahren zu Genaros Haus zurück. Auf dem Weg haben sich die meisten APPAECE Mitglieder verabschiedet und sind zu ihren Häusern gegangen.

Zurück in Genaros Haus liefen die Vorbereitungen für das Abendessen in vollem Gange. Ich habe Genaro, Rigo und Genaros Tochter Pingos und Tolgas "Guatemala" Interpretation gezeigt und ein Video in dem Tolga zeigt wie man mit der GS3 Espresso macht. Da der Kaffeekonsum nicht ausreichend war, durfte Gerrit noch zeigen wie er Kaffee kocht. Gekocht wird das Wasser fast überall auf einem großen gekacheltem Ofen, der mit Feuer beheizt wird (super gemütlich, aber erfordert natürlich Holzscheite).

Das Resultat war zwar für hiesigen Geschmack etwas dünn, fand aber Zuspruch. Rigo trinkt von seinem eigenen (selbstgeröstetem) Kaffee im Schnitt 10 große Tassen pro Tag. die meisten APPAECE stehen dem in nichts nach, 7-10 Tassen gehen meistens, geröstet wird in der Pfanne. Rigo hat einen 25 kg Röster, auf dem er den Santa Anita Kaffee röstet und als "Kaffe Alber" auf den lokalen Markt für 40 Quetzales verkauft.

Zurück zum heutigen Abend: Genaros Sohn hat noch ein Video von Gerrit und mir gemacht und uns interviewt und befragt zu den Kaffeegewohnheiten in Europa und unseren Kaffeelieblingsländern. Ohne rumschleimen zu wollen, Guatemala und Costa Rica sind für mich persönlich ganz weit vorne.

Nach einem gemütlichen Abendessen mit Bohnen, Chorizo und Käse und Tortilla haben wir uns dann zurückgezogen und uns in unsere Schlafsäcke verkrochen. Genaro und Rigo haben währenddessen noch viel diskutiert. Rigo ist nämlich einer der Berater von APPAECE, doch dazu morgen mehr.