Brasilien 2023


Tag 4

Auch heute ging es früh los, da wir heute Paulo Donizete Leão besuchten wollte. Er ist Produzent in Coiceição das Pedras von dem wir bereits das zweite Mal einen Microlot gekauft haben. Als ich um 7:30 bei der Kooperative ankam, waren viele der Leute dort in einem großen Kreis versammelt und machten Gymnastik-Übungen. Sie machen das zweimal die Wochen und ich wurde eingeladen mizumachen. 

Vor der Abfahrt zu Paulo konnte ich mich mit Clemilson, dem ehemaligen Präsidenten der Kooperative über das letzte Jahr unterhalten. Das letzte Kaffeejahr war für viele Kooperativen weltweit schwierig, da die Preise enorm angestiegen sind und viele Kooperativenmitglieder ihren Kaffee zu einem guten Preis auch abseits der Kooperativen verkaufen konnten. Clemilson berichtete, dass die Produzent*innen der COOPFAM insgesamt der Kooperative loyal geblieben sind, dennoch aber hatten sie eine geringere Menge Kaffee als erwartet, was aber v.a. dem schlechten Wetter geschuldet war.

Die COOPFAM hat zwei Mechanismen um die Preisschwankungen der Börse für die Produzent*innen auszugleichen:   

  • Die Produzent*innen können am Ende des Jahres (November/Dezember) bis zu 30% der erwartete Menge auf dem entsprechende Marktpreis festlegen. Wenn sie dann den Kaffee abliefern (im darauffolgenden August) bekommen sie für diese vereinbarte Menge den Marktpreis von November/Dezember (ein Vorteil falls der Preis in der Zwischenzeit gesunken ist)     
  • Die Produzent*innen können Kaffee bei der Kooperative abliefern ohne den Kaffee direkt zu verkaufen. Sie können dann entscheiden den Kaffee später zu einem besseren Preis zu verkaufen

Die Fahrt nach Coiceição das Pedras dauerte mehr als zwei Stunden. Die Landschaft dort sieht deutlich ander aus als in Poço Fundo. Die Stadt liegt auf über 1.000 m und Paulos Sítio liegt nochmal deutlich höher, sodass es kälter ist und wir Araucárias (die vor allem im Süden wachsen) auf dem Weg sehen.

Paulo, seine Frau Virlânia und ihr Sohn Tadeu empfingen uns mit Goiabasaft und wir erfuhren einige über die Familiengeschichte. Paulos Familie war früher im konventionellen Kartoffelanbau tätig bis die Preise Anfang der 2000er Jahre so weit sanken, dass der Anbau nicht mehr rentabel war. Damals entschied sich Paulo dazu, mit dem konventionellem Anbau von Kaffee zu beginnen. Als er aufgrund des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden massive Gesundheitsbeschwerden bekam, entschied er sich vor 15 Jahren dazu, auf biologischen Anbau umzustiegen, um seine und die Gesundheit seiner Familie nicht weiter zu gefährden. Paulo besaß lediglich eine Schulbildung und so brachte er sich viele Methoden und Praktiken des Bioanbau autodidaktisch und mit viel Beobachtung selbst bei (Auf der Fahrt zur Farm hatte Pedro, Agronom bei der COOPFAM, erzählt, dass er bei den Beratungsterminen von Paulo meistens mehr lernte als berate). Seit ein paar Jahren sind Paulos Lots häufig auf den ersten Plätzen bei  Wettbewerben!

Zum Mittagessen gab es einen sehr leckeren Kartoffel-Rindeintopf, Reis, Bohnen und Nudeln.

Nach dem Essen machten wir uns auf den Weg zum Sítio mit einem kurzem Stop bei der Bienenzucht. Sie haben dort mehrere verschiedene Bienenarten und die Bienenkästen befinden sich überall auf dem Gelände. Paulo brachte sich mit Youtube-Videos selbst bei, wie man Bienen anlocken und neue Kolonien züchten kann.

Man bemerkt sehr schnell, dass das Sítio von einer großen Biodiversität geprägt ist und nicht ausschließlich Kaffee angebaut wird. So ernten sie jährlich fast eine Tonne Kürbis und Zucchini. Daneben werden auch Maniok, Chili, Kurkuma und Papayas  angebaut. Diese Erzeugnisse sind aber nicht wirklich für die Vermarktung gedacht. Alles was die Familie nicht selbst verbraucht bleibt als Biomasse auf dem Sítio.

Ein kleiner Teil der Fläche wird ausschließlich dem Bananenanbau gewidmet aber auch zwischen den Kaffeepflanzen sind viele Bananenstauden zu sehen. Durch die Bananen kann auch ein monatliches Einkommen generiert werden und liegt in manchen Jahren sogar über dem, was der Kaffee einbringt. Diese Mischkultur ist nicht nur ökonomisch sehr sinnvoll, sondern auch als Biomasse sehr nützlich, um die Bodenfruchtbarkeit und -qualität zu erhöhen. Zum Teil wird auch der Biodünger aus den Zutaten vom eigenen Sítio hergestellt: Bananenblumen, Ora-pro-nóbis (Pereskia aculeata), Embaúba Blätter, Alecrim do campo (Baccharis dracunculifolia), Ameisenhaufenpilze, Kuh-Urin und -Mist. Für die Stickstoffbindung werden vor allem Jack-Bohnen gepflanzt. Die Baccharis-Bäumen locken auch viele Marienkäfer an, die wiederum bei der Bekämpfung der Kaffeekirschenkäfer helfen, Mamona-blätter (Ricinus communis) helfen gegen den Befall von Blattschneiderameisen.

Es war wirklich beeindruckend zu sehen wie viel Wissen Paulo über die Jahre angesammelt hat, um die Pflanzen so gut zu versorgen, ohne Produkte zukaufen zu müssen.  Die Plantage sieht sehr gut aus und bringt richtig gute Ergebnisse.

Nach dem Besuch verabschiedeten wir uns von Virlânia, Paulo und Tadeu und fuhren nach Poço Fundo zuück. Die Fahrt dauerte fast drei Stunde, da es stark regnete.

Obwohl es ein sehr langer Tag war und ich am nächsten Morgen einen Bus nach Sao Paulo nehmen musste, konnte ich mich nicht ohne einen Abend in einer  Kneipe mit brasilianisches Bier und viel frittiertem Essen verabschieden :D