Vor 4 Jahren sah ich zum ersten Mal eine Geldsammelkampagne für eine Röst-Mahl-Brüh Kaffeemaschine. Ich war sehr verwundert, da es ein solches Produkt doch bereits seit einigen Jahre aus Taiwan auf "Alibaba" zu kaufen gab. Ich hielt es bis dahin für "Spielzeug" aus Asien, entwickelt von lustigen und innovativen Erfindern, die offensichtlich keine Ahnung von Kaffee und den nötigen Prozessen hatten. Dass es aber Menschen gibt, die ganz offensichtlich entgegen besseren Wissens den Mut aufbringen, für ein solches Produkt Millionen einzusammeln, hielt ich für "selbstbewusst".
Wie auch schon die Kolleginnen und Kollegen von der Fachzeitschrift "Crema" fragte ich mich, wann währenddessen der
Zeitpunkt kam, an dem das Projekt nicht mehr beendet werden konnte ohne die vielen Investoren total zu verprellen. Es ging jedenfalls immer weiter und es kamen immer neue Ankündigungen und
irgendwann auch erste Testmaschinen.
Nach vielen Verzögerungen und sehr viel Kritik
der "Investoren" an der langen Entwicklungszeit, war es nun vor Kurzem endlich so weit.
Und nun wird sie ausgeliefert. Mein Freund Arne von Coffeeness, (ein sehr guter Kaffee-Blog mit vielen informativen und lesenswerten Tests) hatte sie tatsächlich während der Geldsammelkampagne gekauft und wollte
sie nun doch nicht mehr haben. Er hatte schon eine Vorabversion für den Test zugeschickt bekommen. So bekam ich seine.....seit gestern steht sie auf dem Tisch in unserem
Sensoriklabor.
Ich muss selbstverständlich zugeben, dass ich voreingenommen war. Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren professionell mit Kaffee, und habe häufig mangels Zeit, gerade bei Cuppings in Ursprungsländern, auch schon sehr frisch gerösteten Kaffee getrunken. In allen diesen Fällen nahm ich mir ein Muster mit und cuppte es nochmals mindestens 8 Stunden, aber am besten einen Tag später. Genau so machen wir es standardisiert auch in unserem Labor bei allen Verkostungen. Erst den Kaffee rösten, dann genau 24 Stunden warten und dann verkosten. Häufig können wir es gerade bei neu eingetroffenen Ernten nicht erwarten, und machen uns eine Tasse vorab. Das Resultat ist eindeutig. Immer schmeckt Kaffee nach einer kurzen "Reifezeit" besser als sehr kurz nach der Röstung. Niemand, der sich auch nur ein wenig mit dem Produkt Kaffee auskennt, würde Kaffee direkt nach der Röstung aufbrühen.
So testeten wir das Gerät mit der Einschränkung
durch dieses Wissen. Darüberhinaus aber unvoreingenommen.
Zunächst zum Gerät selber: es macht einen gänzlich anderen Eindruck als noch die ersten Entwürfe der Kampagne zum Geldsammeln. Die Crema beschrieb es als 90er Jahre PC-Tower. Die verarbeiteten
Materialien machen auf mich den gleichen Eindruck wie das Armaturenbrett meines 8 Jahre alten Citroen C1: recycelte Joghurtbecher. Es scheint das billigste Plastik zu sein, welches auf dem
chiniesischen Markt zu haben war. Und es riecht auch so. Ein sehr deutlicher negativer Unterschied zu den Vollautomaten von Siemens oder Miele, die wir hier zuletzt getestet haben und die einen
deutlich wertigeren Eindruck hinterlassen.
Die Anleitung, die auf deutsch und englisch beiliegt ist klar und verständlich geschrieben. Also denke ich, dass ich
schnell loslegen kann. Ich scanne den RFID-Chip des Luftfilters und setze ihn ein. Dann verbinde das (einen Meter lange und damit viel zu kurze) Stromkabel mit einer Steckdose und fülle Wasser in
den Tank. Die Anleitung sagt mir, dass ich nun einen Leerdurchlauf mit Wasser machen soll. Dafür läge ein weiterer RFID Chip dabei. Diesen gibt es aber gar nicht. Nach langer Suche gibt es ihn
immer noch nicht. Alles nochmal nachlesen und ich hänge fest. Also weiter ohne Chip.
Egal. "Spülen" wir die Maschine einfach mit einem Durchgang Kaffee. Der Kaffee liegt in Päckchen mit jeweils ca. 44g Rohkaffee bei. Jedes Päckchen mit einem RFID Chip. Der Chip wird gescannt, der
Kaffee in den Röstbehälter eingefüllt. Nun steht in der Anleitung, dass die Tüte, in der der Kaffee verpackt war, als Filterpapier zu nutzen ist. WIE BITTE? Eine Rohkaffeeverpackung als Filter
für ein Lebensmittel? Ja, sie meinen es tatsächlich so.....
Wir haben aber zum Glück alternative Filter von Hario und Melitta da und nutzen lieber diese. Es wäre dann anders auch nicht gegangen, denn die Rohkaffeeverpackung war entgegen der Ankündigung dann doch gar kein Filter. Die Anleitung muss sich also auf eine ältere Version oder ältere Planungen beziehen. Bei der teuren Entwicklung war wohl kein Geld mehr übrig für ein Lektorat, eine Redaktion oder einen Neudruck der Anleitung.
Nun drücken wir auf den Sensor unter dem Scanner und der Prozess beginnt.. Die Lampen / Heizstrahler beginnen zu
arbeiten, der Kaffee wird in der Röstkammer von kleinen Stäbchen bewegt.
Unter dem ganzen Gerät blinkt während des Röstprozesses eine ganze Reihe kleiner LED-Lampen. Ihr kennt das sicher von billig getunten Kleinwagen in Vororten größerer Städte. Sieht genauso aus wie
diese Lämpchen unter dem Boden.
Die Heizstrahler gehen in (laut Bonaverde) einem auf den jeweiligen Kaffee - und durch den Scan des Chips abgerufenen -
"Röstprofils" in unregelmäßigen Abständen an und aus. Es kommt mir so vor, als ob die "Aus"-Intervalle teils sehr lang sind. Als Röster wissen wir ja, dass es Phasen während der Röstung gibt, in
denen eine kontinuierliche Energiezufuhr dringend geraten ist, da wir sonst Fehler in den Kaffee reinrösten, den wir als "gebacken" beschreiben. Bei unserer Testmaschine gingen die Heizstrahler
sogar während des Cracks aus, der Crack ließ nach, die Strahler gingen an und der Crack nahm wieder an Fahrt auf. Dies zu verhindern, lernt jeder Kaffeeröster in seinen ersten
Stunden.
Der Röstprozess dauert insgesamt eine meiner Meinung nach angemessene Zeit, nämlich ca. 11 Minuten. Nur: der erste Crack
setzt nach ca. 7 Minuten ein, wird mehrfach unterbrochen und dauert selber ca. 3:15 Minuten. Danach passiert recht wenig und es geht ziemlich schnell Richtung zweiter Crack. Erschreckend ist,
dass einzelne Bohnen zum Ende des Prozesses noch etwas grün wirken, andere aber schon dem zweiten Crack ausgeliefert sind. Ja, ihr habt richtig gelesen: zweiter Crack. Die Bohnen werden
"schön" dunkel, zumindest größtenteils. Durch die sehr heiße Luft und den hohen Luftstrom kommt es darüberhinaus zu sehr starken "Tipping", einem Verbrennen der Bohnen an ihren Spitzen. Sie
können die zu hohe Wärmemenge nicht absorbieren und brennen einfach an. Das schmeckt verkohlt.
Der Röstprozess läßt sich nicht verändern und auch nicht abbrechen, wenn wir denken, dass es irgendwann genug
wäre.
Als, ganz angenehm und gut empfinde ich die kleine Menge des gerösteten Kaffees bzw. die eventuelle Wirkung des Luftfilters. Der Röstprozess riecht nicht so stark nach dunkel geröstetem Kaffee,
wie zu befürchten wäre und könnte daher auch in geschlossenen Räumen stattfinden. Kann er meiner Meinung nach dann aber doch nicht, weil die starken Aromen nach erhitztem Plastik (oder ist es
Gummi) von uns als noch unangenehmer empfunden werden als die Röstabluft aller mir bekannten Röstmaschinen.
Direkt nach dem Rösten scheint der Kaffee kurz abgekühlt zu werden, das Geräusch ändert sich und die Mühle geht an. Sie macht ein recht angenehm leises Geräusch. Eine kleine Klappe in der Röstkammer geht auf und der Kaffee wird in die Mühle ausgeworfen.
Direkt danach geht der uns bekannte Prozess der klassischen Kaffeemaschine - in Fachkreisen "Röchelmaschine" genannt - los. Das Wasser wird erhitzt und läuft durch zwei Ausläufe durch das frisch
gemahlene Kaffeemehl und den Filter in eine klassische Kaffeekanne mit Tropfschutz.
Der Kaffee wird von uns weggeschüttet, da wir den ersten Durchlauf ja nur zu Reinigungszwecken gemacht haben. Der gesamte Prozess wird von uns wiederholt. Zu erwähnen ist, dass dabei wieder mehr
weiches warmes Plastik zu riechen ist, als Kaffee-Aromen. Bonaverde schreibt selber dazu: "Lehn´ dich zurück und genieße die herrlichen Düfte aus Deiner Maschine, während sie Deinen Kaffee
röstet, mahlt und brüht." Wer´s mag.....
Nun kommt der ersehnte (ehrlich: mittlerweile gefürchtete) Moment des Verkostens.
Wir riechen erstmal stark gerösteten bis verbrannten Kaffee. Das war zu erwarten, viele Bohnen waren kurz vor dem zweiten Crack, einige schon mittendrin. Leider riechen wir außerdem auch immer
noch etliche künstliche, medizinische bzw. chemische Aromen im Kaffee.
In der Tasse haben wir es dann mit einem Sammelsurium an Fehlern zu tun:
- grüne bzw. unterröstete Bohnen
- verbrannte Bohnen
- "gebackene" Bohnen, wahrscheinlich aufgrund der unregelmäßigen Energiezufuhr
- medizinische Fehlaromen von denen wir nicht wissen, ob sie am Kaffee oder am Prozess liegen
Es tut mir leid es so sagen zu müssen: auch nach drei Durchläufen ist das Ergebnis völlig ungenießbar. Nicht in dem
Sinne, dass wir verwöhnt sind, und sonst nur ordentlich geröstete Kaffees mit einer Score von mindestens 84 trinken. Sondern in dem Sinne, dass dieser Kaffee deutlich schlechter ist, als
gemahlene Discounterware für 3,69 Euro pro Pfund. Wir haben ihn im Vergleich neben eine besonders billige Variante eines Instantkaffees von "NESCAFÈ" gestellt. Auch dieser war
"besser".
Die Maschine unterbot bei Weitem unsere schon wirklich niedrigen Erwartungen. Das Konzept der Maschine kann man sich
selber für 10 % des Preises zusammenkaufen und man hat sinnvollere Komponenten, keine Abhängigkeit von RFID-gechipten Kaffees und kann die Röst-, Mahl- und Brühparameter selber bestimmen :
- eine Popcorn-Maschine zum Rösten für ca. 20,- Euro
- eine elektrische Kaffeemühle für 30,-Euro
- eine Kaffeemaschine für 30,- Euro
Das Thema RFID führt zu einem weitereren wesentlichen Punkt, der mich an der aktuellen Version der Maschine stört. Das
System erinnert an die Versuche von Nespresso, ein geschlossenes System zu haben. Und limitiert die Maschine zumindest momentan auf den lieferbaren Bonaverde Kaffee. Auch dieser ist qualitativ
ein großes Ärgernis. Alle drei mitgelieferten Kaffees haben einen Anteil an Fehlern, wie er Spezialitätenkaffee nicht angemessen ist. In einem 43 g Beutelchen finden wir 18 fehlerhafte Bohnen
(Bruch, Größe unter 10 welche beim Rösten verbrennt, starke Trocknungsfehler). Auf unseren eigenen Röstmaschinen geröstet, bekommt er keine Score von 80 Punkten. Es lohnt sich also nicht, diesen
Kaffee zu rösten. Auch nicht auf einem geeigneteren Equipment.
Angeblich (laut Bonaverdes Facebookauftritt) gibt es eine Chip-Karte, die programmierbar sein soll, mit der man die Profile ändern kann und auch eigene Rohkaffees rösten kann. In meiner
ausgelieferten Maschine fand ich nichts dazu und online finde ich zumindest auf die Schnelle auch keine Hilfe. Solange es diese nicht gibt, ist die Maschine in meinen Augen total unbrauchbar und
ihr Betrieb frustrierend.
Zum Thema Rohkaffee: Bonaverde behauptete einst, dass der Kaffee fairer sei, als alle anderen erhältlichen Kaffees. Diese Herausforderung nehmen wir als Quijote Kaffee sehr gerne an. Ich kann nirgendwo in der Kommunikation von Bonaverde erkennen, wo, wie und wann sie den Kaffee bezogen haben (die mitgelieferten Muster schmecken jedenfalls nach einer alten Ernte). Auch der Preis, welchen die Produzenten, die zwar mit Namen auf den Päckchen vorgestellt werden, über die aber keinerlei Informationen online erhältlich sind, ist nicht publiziert. Solange man keine Nachweise erbringt, kann man unserer Erfahrung nach vieles behaupten. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Produzenten tatsächlich mehr bekommen würden, als von allen anderen Käufern. Bei 2,- US$ Preis pro 43 g Rohkaffee wäre da zumindest viel Spielraum bei Kaffeequalität, der auf dem freien Markt ca. 1,50 US$ pro Pfund bringen würde.
Die Maschine ist in der aktuellen Version und limitiert auf die vorgegebenen Röstprofile eine absolute Enttäuschung. Sie sieht billig aus und riecht zumindest während der ersten 10 Röstungen nach Plastik und Gummi. Der Preis ist zu teuer und habe die Erfahrung, dass die oben genannten alternativen Gerätschaften für insgesamt 80,- Euro besser funktionieren als die Bonaverde. Das wären drei Geräte, aber für insgesamt 10 % des Preises. Dann wäre man auch unabhängig in der Auswahl der Rohkaffees und der "Rüstprofile".
Wieder einmal bestätigt wurde, was alle - und sicher mittlerweile auch die Gründer von Bonaverde - wissen: Kaffee muss nach dem Rösten erst eine kurze Zeit ausgasen bzw. reifen, bevor er gemahlen
und gebrüht wird.
Der aus Röstersicht allerdings noch schlimmere Fehler ist, dass die Bohnen in der exothermen Phase wieder abkühlen, der Crack unterbrochen wird und danach wieder Energie zugeführt wird. Somit
wird der Kaffee "gebacken" und das ist echt ein sehr unleckerer Röstdefekt, der auch trotz den sehr dunklen Röstprofilen immer noch penetrant wahrnehmbar ist. Es wäre sehr spannend, einmal die Temperaturkurve der Bohnenmasse anzuschauen.
Auch das "Tipping" ist ärgerlich, die Bohnen werden zu schnell und stark erhitzt und verkohlen noch mehr, als sie es aufgrund des meiner Meinung nach viel zu dunklen vorgegebenen Röstgrades
sowieso schon tun.
1.) Beschäftigt Euch, wenn es Euch interessiert, ernsthaft mit Kaffeerösten als Hobby. Es gibt viele gute Kaffeeschulen, die Euch dazu sehr viel erzählen können. Im Internetforum "Kaffeenetz" gibt es viele Tipps. Heimröstermaschinen beginnen beim Popcorn-Maker und enden preislich bei kleinen professionellen Trommelröstern
2.) Kauft guten Kaffee bei guten Röstereien. Alle mir bekannten Röstereien findet Ihr hier eine Seite zurück.
In Bezug auf "faire" Preise fragt bitte beim Röster ganz konkret nach. Besonders gute und engagierte Röster können ganz genau sagen wieviel der Farmer erhalten hat. Bei uns bei Quijote sind es z.B. mindestens 2,87 Dollar pro Pfund Rohkaffee.
Auch hier treten wir sehr gerne den Vergleich zu Bonaverde Rohkaffee an ;-)