Alte Bekannte
    Wir begannen mit dem in den letzten Tagen lieb gewonnenen Frühstück in der Markthalle. Die beiden Marktfrauen vom Saftstand liefen uns begeistert entgegen und sagten, dass sie meinen Stammsaft
    schon vorbereitet hatten und servierten ihn mir mit Umarmungen. Dazu gab es heute einen großen Teller mit Reis und Bohnen. Ich wollte nicht hungrig ins Feld. Danach kauften wir noch ein wenig
    Obst am Stand einer wirklich alten Oma. Sie war so sehr bester Dinge, dass wir länger mit ihr herumschäkerten und uns neckten. Der Abschied von ihr war äußerst niedlich. Sie sagte, dass wir uns
    beim Besuch im nächsten Jahr sicher nicht wiedersehen würden, obwohl sie uns ja nun so lieb gewonnen hat. Gott würde sie bis dahin zu sich holen und das sei auch eine gute Aussicht. Ich habe
    volles Vertrauen, dass es ihr gelingen wird, auch die kommende Zeit glücklich und fröhlich zu leben und – sollte es so sein – auch glücklich in den Himmel zu kommen. Solche Begegnungen sind
    wunderschön und waren wohl ein gutes Vorzeichen für den kommenden Tag.
    Nach einer Verabschiedung vom Präsidenten der ACRIM Victor Zarate und dem Administrator Vicente Troya fuhren wir mit dem Verkoster Willan ins 35 km Feldweg entfernte Grenzdorf unserer beiden
    Partnerkooperativen „Playa de las Pircas“ (Strand der Steinmauern).
    Dort erwartete uns mein alter Freund José Mayo mit einer Gruppe von 13 der insgesamt 24 Mitglieder der Regionalgruppe. Neun von ihnen unter 25 Jahre alt und neu in der Genossenschaft. José hat
    schon immer herausragende Kaffees geröstet und war neben seiner Rolle als Ideengeber und immer für Zusammenhalt sorgender Koordinator außerdem ein politisch äußerst interessierter und gebildeter
    Kaffeeproduzent. Er war z.B. der wesentliche Partner für uns, um die Mitglieder der Genossenschaften zu überzeugen, es mit dem Anbau von honey-verarbeitetem Kaffee zu probieren. Nun produzieren
    60 Mitglieder auch Honey und beliefern uns mit relevanten Mengen.
    Wir stellten uns auf der Versammlung vor und tauschten uns wie immer über die jeweiligen Ideen und Herausforderungen aus. Heute insbesondere über die Zertifizierung des biologischen Anbaus durch
    die BCS. Durch die neuen Richtlinien der EU für den Import von Bioprodukten wurde die Zertifizierung deutlich teuerer und somit wird sie auch immer mehr infrage gestellt. Sie wird hier als
    Kolonialismus mit modernen Mitteln verstanden. Die Europäer wollen Biolebensmittel mit immer komplizierteren Kontrollen und sie als Kleinbäuer*innen im globalen Süden sollen dafür bezahlen. Die
    Kosten für die ACRIM belaufen sich tatsächlich jährlich auf 20.000 Dollar bei ca. 500.000 Dollar Umsatz mit Biokaffee. Es ist den Menschen hier (und insbesondere José Mayo) völlig klar, dass
    diese Art der Zertifizierung der Lobbyarbeit von Großkonzernen geschuldet ist und kleinbäuerliche Zusammenschlüsse deutlich stärker belastet als Bio-Großfarmen von Investoren die zig Millionen in
    Anbau auf Plantagen stecken um damit noch reicher zu werden. Somit werden die ohnehin schon miserablen sozialen Verhältnisse und Ungerechtigkeiten noch weiter verschärft.
    Es ist eine wirklich schöne Situation, dass uns soviel Vertrauen entgegengebracht wird, dass wir auch über solche wirklich kritischen Themen sprechen können. Wir sprachen auch kontrovers über
    Entwaldung durch Kaffeeanbau und den Einsatz von künstlichem Dünger. Wir tauschten uns über die großen Gefahren durch Bergbaukonzerne in der Gegend aus (dies wäre ein Thema für einen langen
    gesonderten Bericht). Es wird befürchtet, dass in der Gegend riesige Konzessionen an internationale Konzerne vergeben werden und hunderte Menschen von ihrem Land vertrieben werden und außerdem
    das Ökosystem der Gegend zerstört wird. Es gab zuletzt Fälle von Gewalt durch bezahlte Soldaten gegen Familien die hier als Bergbaugegner gelten. Es fliegen regelmäßig Privathubschrauber über die
    Gegend, um das Land zu begutachten und Vermesser laufen durch die Gegend.
    Danach besuchten wir zwei Fincas und schauten uns den sehr geordneten und professionellen Anbau von besonders hochwertigen Varietäten an. Es ist unfassbar, wie sehr sich die Prozesse und der
    Anbau in den letzten 7 Jahren hier entwickelt haben. Das Niveau entspricht dem von sehr ambitioniertem Weinanbau in Deutschland.
    Bei der darauffolgenden Versammlung wurde betont, wie wichtig und gut es ist, dass wir nach 3 Jahren Pause, hervorgerufen durch die Pandemie, endlich wieder hier sind um unsere Freundschaft und
    unsere Kooperation wieder aufzufrischen und das Vertrauen zu stärken.
    Nach einem Mittagessen (Gartenhuhnsuppe und gegrilltes Gartenhuhn mit Gartengemüse) fuhren wir auf die Finca von José Mayo und tranken selbst gedroschenen (riesiger aus einem Baumstamm mit einer
    Machete behauener Behälter mit einem schwerem Stößel aus Holz), selektierten, gerösteten und gemahlenen (5000 Jahre alter Mörser aus Bracamoros-Funden) Kaffee. Dazu gab es eigenen Wabenhonig mit
    selbstgemachtem Käse und einen selbstgemachten Kaffeelikör. Dann fuhren wir zusammen mit 10 Mitgliedern an den reißenden Dschungel-Gebirgsfluss und badeten bei 30 Grad mitten im Wald in einer
    strudelnden Lagune mit Trinkwasserqualität.
    Der Abschied von diesem wunderschönen Ort und meinem Freund José fiel schwer. Wir mussten aber weiter zur Kooperative APECAP, wieder 35 km Feldweg durch die Anden entfernt.
    In der Verarbeitungsstation der APECAP erwartete uns eine Delegation von vielen alten Bekannten und den wichtigsten Personen der Genossenschaft. Neben dem Administrator Camilo Luzuriaga, dem
    Präsidenten Harvey (!!!) Merino und den besten Produzent*innen wie z.B. Gonzalo Castillo auch die Buchhalterinnen und der neue Lagerleiter. Der bisherige Cupper Edwin Morales hat leider für ein
    Jahr einen hochbezahlten Job auf den Galapagos Inseln angenommen und fehlt für ein Jahr. So werden die Lots hier einzeln eingebracht und in Catamayo von José Apolo bei FAPECAFES getestet und
    bewertet.
    Auch hier besprachen wir in großer Runde die aktuelle Situation. Die hohen Preise waren auch hier eine Herausforderung in sowieso schon schwierigen Zeiten. Durch die Pandemie ist der interne
    Austausch ins Stocken geraten, der Zusammenhalt der meisten wichtigen und zentralen Personen der Kooperative zum Glück aber nicht. Mit Ausnahme unseres langjährigen Partners und des ehemaligen
    Präsidenten von FAPECAFES Vinicio Martinez. Er hat seiner Genossenschaft den Rücken gekehrt und vermarktet nun seinen eigenen Kaffee und den einiger Produzenten in einer privaten Firma. Das
    bedauern wir und die ACRIM sehr.
    Erschwerend in der sowieso schon harten Situation kommt bei der APECAP genauso wie bei der ACRIM hinzu, dass der Markt mit Bananen-, Yuca- und Möhrenchips komplett weggebrochen ist. Ethiquable
    hat dieses Jahr entgegen der Annahme nicht nach Frankreich exportiert. Diese Produkte waren eine wichtige Ergänzung zum großen Geschäft mit Kaffee und dem kleineren Geschäft mit Kakao.
    Die Situation ist tatsächlich so schwierig, dass einige Produzent*innen die Kooperative verlassen haben und alleine ihr Glück versuchen. Das hat in diesem Jahr bis letzten Monat aufgrund der
    hohen Weltmarktpreise sehr gut geklappt, brach nun aber wieder zusammen, da der Weltmarktpreis um 25 % binnen eines Monats abgestürzt ist. Die Zukunft wird hier extrem spannend. Die ausgetretenen
    Produzent*innen wurden in den letzten Woche durch neue Mitglieder ersetzt, vor allem Jugendliche die sich nun freuen Mitglied geworden zu sein.
    Ich musste schlucken, als gleich drei besonders gute Produzenten mir erzählten, dass sie vor allem aufgrund der Bekanntschaft zu mir motiviert waren, in der APECAP zu bleiben, da sie wissen, mit
    Quijote einen Partner zu haben, auf den sie sich jetzt und auch in der Zukunft verlassen können. Wir seien ihre Hauptmotivation, sich immer weiter zu verbessern und immer hart an der Qualität zu
    arbeiten. Was für eine Ehre, was für eine Motivation, was für eine Bestätigung unserer Arbeit und was für eine Verantwortung.
    Wir fuhren abends noch in ein neues kleines Freiluftrestaurant oberhalb der berühmten Ausgrabungsstätte Bracamoros und aßen ein Abendessen und tranken gemeinsam ein paar Wochenendbierchen. Auch
    auf der hier informellen Ebene setzten wir unsere Gespräche lange fort und überlegten, wie wir unsere Zusammenarbeit noch weiter ausbauen und verbessern können.