Ecuador 2022


Tag 9

Reise zu ASOSUMACO und das "korrupte Schwein"

 

Nach einer Woche in der Provinz Napo war heute wieder ein Reisetag. Die Anspannung hier im Land steigt leider wieder an. Der Präsident hat, nachdem er gestern nur knapp ein Misstrauensvotum des Parlaments überstanden hat (82 gegen ihn, 40 für ihn, 9 Enthaltungen, also weniger als 1/3 Rückhalt) erneut für 6 Provinzen den Ausnahmezustand ausgerufen. Das bedeutet: Ausgangssperre, Erlaubnis für Schusswaffeneinsatz, Militäreinsatz im Inneren, Versammlungsverbote. Auch in Orellana, der Provinz in die ich heute reisen sollte.

 

Das tat ich also. In Napo hatten wir bei unseren Freund*innen von Jatari und Waylla Kuri alle notwendigen Dinge besprochen und geklärt. Michael und ich brachen nach dem Packen und einem Frühstück in der Markthalle (Tortillas) um 8.30 Uhr auf. Zunächst mit einem Taxi zur ersten Straßensperre im Nachbarort Archidona, dann mit einem Taxi zur Wegkreuzung 30 km nördlich, wo sich die Straße nach Westen in Richtung Quito und nach Osten in Richtung Loreto teilt. Auf dem Weg mussten wir 6 weitere Straßensperren passieren. Die Reaktion der Indigenen auf den wieder eingeführten Ausnahmezustand. Es wird erwartet, dass das Militär den Befehl bekommt, die Straßen hier zu "befreien", also werden die Sperren ausgebaut und befestigt. Wir lassen an jeder Sperre ein wenig gerösteten Kaffee oder eine kleine Spende zurück und passierten sie ohne Probleme.
An der Straßenkreuzung trennten sich Michaels und meine Wege, er fliegt morgen von Quito nach Wien zurück. Ich wollte weiter nach Osten, nach Loreto zu unseren Partner*innen von ASOSUMACO. Die an der Kreuzung wartenden Taxifahrer verlangten horrende Preise, also wartete ich auf schon teilweise belegte Fahrzeuge in die ich dazusteigen konnte. Nach einer halben Stunde kam die Gelegenheit dazu. 12 Leute in und auf einem Pickup. Für die ersten 45 km nach Osten kosteten das dann 3 statt 30 Dollar. Dort war eine unpassierbare Straßensperre im Dorf Guagua Sumaco. Also wieder aussteigen, 1 km laufen, nächste unpassierbare Sperre. Und vor einem Problem stehen: die nächste unpassierbare Sperre im Dorf "24 de Mayo" ist nur 25 km weiter östlich. Dazischen gibt es keine Kreuzungen, also auch keine Autos die hier fahren. Nur Motorräder. Da wir aber im Regenwald sind und dieser seinem Namen heute wieder alle Ehre machte und ich einen Koffer dabeihatte wären die nicht gut gewesen. Das fanden auch 10 andere potentielle Passagiere. Also scuhten wir in den hiesigen Höfen einem Auto. Als wir dann tatsächlich eines fanden, riefen wir laut nach den Bewohner*innen des Hofes. Der Besitzer kam und wir überzeugten ihn, uns 11 Personen mit seinem Pickup 25 km nach Osten zu fahren. Bis zur Sperre. Das machte er für 3 Dollar pro Person. Für ihn ist das ein Zwiespalt, es gibt hier nämlich nirgends mehr Treibstoff. Aber man hilft halt wo man kann. Gut für mich. In "24 de Mayo" stiegen wir wieder aus und liefen durch die letzte Sperre des Tages.
Auf der anderen Seite erwartete mich Wilson Yanez, einer der beiden Verwalter von ASOSUMACO mit einem Taxi, die letzten 10 km waren so ein Kinderspiel.

 

Ich hatte mich mit allen 18 Passagieren und den 4 Fahrern unterhalten über die aktuelle Situation. Das Ergebnis ist sicher nicht repräsentativ, aber es spiegelt die Meinung von 22 zufällig getroffenen Personen wieder. Alle weder reich (die Reichen hier sind wirklich mehrheitlich gegen den Streik), noch arm (sonst könnten sie sich die Transporte momentan nicht leisten). Alle 22 (ungefähr die Hälfte Indigene, die anderen Mestizos oder Weiße) sagten, dass der Präsident ein korruptes Schwein sei, der das Land verkauft. Alle sagten, dass er über Leichen gehe. Womit sie auch meiner Meinung nach Recht haben. Alle finden die Auswirkungen des Streiks auf ihr privates und berufliches Leben wirklich schlimm, alle verstehen aber die Gründe für den Streik und unterstützen ihn. Das möchte ich mal in Deutschland erleben.

 

Mit Wilson fuhr ich also zum neuen Verarbeitungszentrum von ASOSUMACO. Das alte war direkt nebenan auf dem Grund der ehemaligen Präsidentin der Kooperative. Diese hat nun aber eine weitere Kooperative gegründet und ASOSUMACO gekündigt. Die Notwendigkeit des Neubaus hatte ASOSUMACO letztes Jahr in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht, diese wurden aber dank einer Privatbürgschaft von Wilson und Krediten für ASOSUMACO halbwegs überstanden.
ASOSUMACO ist zwar auch offiziell eine Kooperative (wie für uns und für Fairtrade auch zwingend nötig), ist aber tatsächlich recht klein, vor allem im Verhältnis der 18 Vollmitglieder zu den 2200 sogenannten "geschäftlichen Mitgliedern". Das wird von uns auch recht kritisch gesehen und daher verlangen wir von ASOSUMACO immer deutlich ausführlichere Berichte als von anderen Partnerorganisationen. Wenn wir aber hier hinschauen, sieht das Ganze deutlich weniger kritisch aus. Den Service und die Kooperation, die woanders nur Vollmitglieder von Kooperativen haben, bietet ASOSUMACO auch den geschäftlichen Partnern, die nur über den Kaffeeverkauf mit der Kooperative verbunden sind. Agronomische Beratung, Umstellung auf Bioanbau inklusive gratis Zertifizierung und Beratung, Qualitätsschulungen, Ernteschulungen, Zugang zu verbilligten Motorgeräten, Biodünger, Agroforstprojekte mit gratis Setzlingen und Beratung, Jungpflanzen (meist sogar gratis über von ASOSUMACO vermittelte Projekte von NGOs oder Entwicklungshilfeorganisationen), verbilligte Materialien für Trocknungsbetten und einen Ankaufpreis für Rohkaffee, der weit über den hiesigen sonstigen Preisen liegt. Da ASOSUMACO hier von Anfang an durch die Kooperation mit Quijote gut aufgestellt war, waren sie auch von Anfang an in der Lage, die hier üblichen Preise deutlich anzuheben und somit das gesamte Niveau durch diese positive Konkurrenz deutlich nach oben zu treiben.

Sehr erfreulich für uns war es, dass ASOSUMACO neben Wilson nun mit Bertha noch eine weitere sehr gut ausgebildete Person im Team hat. Bertha ist ausgebildete Bankkauffrau und Erzieherin und hat Verwaltungstechnik studiert. Und sie packt bei allen harten körperlichen Arbeiten hier mit an und hat schon viel über Kaffee gelernt. Außerdem kommuniziert sie gut. Von all dem konnte ich mich überzeugen, da heute viel Kaffee angeliefert wurde. Diesen Kaffee haben wir zusammen bewertet und angekauft, den hochwertigsten Kaffee mit den schönsten reifen Kirschen gleich gemeinsam gefloatet, gewaschen und entpulpt

Wir besuchten per Motorrad (ich bekam die chinesische Endura von Wilson, er lieh sich eines von einem Acopiador) einmal ein Mitlied der Kooperative (Domingo) und ein geschäftliches Mitglied. Bei beiden ist Wilson auch persönlich beratend tätig. Domingo hat einen Agroforst angelegt (nach 15 Jahren kann man Bäume hier ernten) und eine dezentrale Verarbeitungsstation für das Entpulpen und trocknen von gewaschenem Kaffee. Er hat dazu eine motorbetrieben Entpulpungsmaschine und große Trocknungsbetten (african Beds) unter belüfteten Zelten. Genau wie bei Spezialitätenarabicas. Der andere Produzent, den wir besuchten (den Namen habe ich leider vergessen, ich bin schon etwas erschöpft von der Anstrengung der letzten Tage...) hat ein von ASOSUMACO gefördertes Setzlingsprojekt für selektierte Kaffeejungpflanzen mit denen er und seine Familie 14 Nachbar*innen versorgen werden. Beide Cafetales waren vorbildlich und bestachen auch durch teilweise bereits 25 Jahre alte Kaffeepflanzen, die durch gute Pflege immer noch sehr gut tragen.

 

Morgen geht es hier dann richtig los und wir werden mit einem Auto viele weitere Produzent*innen besuchen.

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