Ecuador 2022 (2)


Tag 6 (07. November)


 

Nach dem Frühstück mit Obst ging es weiter nach Guayaquil und dort wirklich los mit der Arbeit.  Grund des Besuches war mein spontan organisiertes Treffen mit Ute (der neuen und sehr sympathischen sowie engagierten Koordinatorin der Kaffeeprojekte der GiZ hier in Ecuador), Wilson von ASOSUMACO, Robinson, Pedro und weiteren Technikern aus den Robusta-Gegenden. Die GiZ arbeitet hier an einem vorbereitenden Projekt zur Umsetzung der ab 2025 geltenden EU Richtlinien zum Verbot des Importes von Agrarprodukten, die mit Entwaldung in Zusammenhang gebracht werden können. Wir trafen uns schon mittags mit Ute zu einem Vorgespräch und abends mit allen Beteiligten. Die Gespräche waren sehr konstruktiv und auch kreativ und wir vereinbarten Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen. Vor allem die Zusammenarbeit und Stärkung mit und von Frauen und jungen Produzent*innen sowie die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Warenströme sind gemeinsame Interessen der GiZ und uns. Ich freue mich auf diese Kooperation. Vielleicht gelingt uns hier ja ein Beispiel für erfolgreiche und effiziente Arbeit mit der GiZ.

Guayaquil ist sonst hektisch, trubelig, geschäftig und bestraft mit einem extremen Nebeneinander von sehr reichen und sehr armen Menschen. Ich mag die Stadt nicht. Nun herrscht hier seit Wochen Ausnahmezustand. Gruppen der organisierten Kriminalität bekämpfen sich hier ähnlich wie Kartelle in Mexiko und es gibt viele Tote. Zuletzt eskalierte die Situation. Kriminelle töteten u.a. eine Staatsanwältin sowie mehrere Polizisten. In der Stadt gab es viele Sprengstoffanschläge gegen Feinde der jeweiligen Banden. Autobomben töteten vermeintliche Gangmitglieder und Umstehende. In den Knästen gibt es hunderte Tote bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Gangs. Die Medien nehmen all dies dankbar auf und schüren Hass, Angst und Panik. Die Politiker*innen nutzen die Situation für ihre eigene Agenda aus. So wurde die Versammlungsfreiheit abgeschafft, Telefone können abgehört und Post geöffnet werden. Anlasslose Personenkontrollen sind an der Tagesordnung und es herrscht Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 5 Uhr. Die sonst so lebendige Großstadt gleicht in ihrer Todesstille nachts eher einer Zombie-Apokalypse. Polizei und Militär, teils mit Panzern, sind die Einzigen auf den Straßen.

Ich musste also um 21 Uhr wieder im Hostal sein. Davor nutze ich aber die Gelegenheit und spazierte tagsüber und abends 3 Stunden lang durch die Stadt und beobachtete die Situation. Ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt bedroht oder gefährdet. Da bin ich aber ziemlich alleine. Außer Ute warnten mich alle Menschen denen wir bis dahin auf der Reise von unserem Besuchsplan erzählt hatten eindringlich, bloß nicht nach Guayaquil zu fahren. Dort sei sich niemand mehr seines Lebens sicher. Viele Menschen in Guayaquil verhalten sich auch entsprechend: Straßenseite wechseln, wenn ich in leerere Straßen entgegenkomme, keine Blickkontakte in der Öffentlichkeit, hektisch von einem Ort zum anderen eilen. Wer es sich leisten kann, nimmt für jede Strecke sein Auto, Personenschützer sind quasi ausgebucht. Kultur und Nachtleben existieren nicht mehr, für die Gastronomie die nächste Katastrophe nach der COVID-Pandemie und es ist kein Ende in Sicht. Gerade wurde die Situation um 45 Tage verlängert.  So kann doch kein Mensch leben.